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Wie ich versuchte, einen Bücher-Podcast zu machen (und an den Verlagen verzweifelte)

Es schien mir einfach und naheliegend. In meinem Podcast “Vorsicht Lesegefahr!” wollte ich abwechselnd eigene Buchideen und existierende lustige Bücher vorstellen – meistens Sammelbücher, etwa zu kuriosen Tagebucheinträgen, oder zuletzt über witzige Spam-Mails. Doch jetzt gebe ich entnervt auf. Ein Erfahrungsbericht

Ich lese ein wenig vor und beschere den Hörern und Blog-Lesern einige vergnügliche Augenblicke. Womöglich gefällt ihnen dann das vorgestellte Buch und vielleicht kaufen sie es sogar später. Das war die Grundidee für meinen Podcast – teilweise an die Fernsehsendung “Was liest du?” angelehnt. Doch zugegeben: Ich bin gescheitert. Meine Geduld ist am Ende, denn der Spaß an der Sache ging spätestens beim Hin und Her der letzten Verwendungsrechte-Anfrage flöten.

Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Mein Podcast wird nicht eingestellt. Es werden darin vorerst lediglich keine “fremden” Bücher mehr vorgestellt. Ich schreibe hier “fremd” in Anführungszeichen, weil mir ein schönes Buch nach dem Lesen nicht länger fremd ist, sondern zu einem Teil von mir wird. Die meisten Verlage sehen das allerdings völlig anders. Sie “beschützen” ihr Buch vor den “Gefahren des Internets” – darunter offenbar auch vor der Lesegefahr! 🙂

Hintergrundinfos

Fassen wir einmal die Sachlage zusammen:

  1. In meinem Podcast machte ich im Prinzip kostenlos Werbung für Bücher, die mir gefallen, aus Spaß. Alles stets wohlwollend; Kritik gibt’s schließlich anderswo genug.
  2. Das gesamte Projekt ist nicht-kommerziell (d.h. ohne Gewinnabsicht), es gibt nur vereinzelt Affiliate-Links zu Amazon, um bestenfalls die Unkosten zu decken.
  3. Die von mir kontaktierten Autoren waren immer sofort angetan von meiner Podcast-Idee, stellten Rezensionexemplare bereit und vermittelten Ansprechpartner. Sie konnten sich kaum vorstellen, dass mein Anliegen für die Verlage erfahrungsgemäß so eine schwierige Sache sei. Im Gegenteil: Jeder Autor bzw. jede Autorin hat sofort erkannt, dass ich hier Öffentlichkeit für ihr Buch liefere – kostenlos und frei Haus. Und jede Publicity ist schließlich gute Publicity.
  4. Dass das nicht jeder so sieht, merkte ich im Kontakt mit den meisten Verlagen. Vor jeder Buchvorstellung bat ich sie nämlich artig um Erlaubnis. Ich bin also nicht etwa ein böser “Pirat”, der einfach nimmt. Ich hielt mich an die Vorgaben und Einschränkungen der Verlage, auch wenn sie mir noch so wunderlich erschienen.
  5. Alle Verlagsmitarbeiter(innen), mit denen ich deswegen in Kontakt stand, waren – wenn man sie erst einmal erwischte – immerhin stets freundlich und bemüht. Man könnte stellenweise auch “überfordert” schreiben, weshalb ich teils wochenlang warten musste, bis meine einfache Anfrage möglichst komplex geklärt wurde. Löbliche Ausnahme: der überaus kooperative Herder-Verlag in Freiburg. Herzlichen Dank dafür!

Beispiele

Um zu verdeutlichen, von welchen Einschränkungen die Rede ist, hier einige Fragmente aus meiner Podcast-bezogenen Korrespondenz:

… Begrenzung auf maximal 10 Minuten Lesung …

… 5 Minuten beginnend mit dem Anfang des Werkes …

… nicht-exklusive Genehmigung erfolgt begrenzt auf 2 Jahre …

Was die Genehmigung für die Lesung, den Vortrag anbelangt, wenden Sie sich …

Die Beitragslänge zu beschränken, kann ich ja noch verstehen – nicht dass man quasi das komplette Buch als Hörbuch kostenlos bereitstellt. Aber warum die Grenze bei 10 Minuten oder sogar bei nur 5 Minuten ziehen? In einem Fall durfte ich das Buch nur von Anfang an vorlesen, womit wenigstens nicht die Titelei gemeint war. Kreative Möglichkeiten? Fehlanzeige! Nicht zu vergessen die Beschränkung auf 2 Jahre – dabei vergisst das Internet doch nie?! Klar, kann ich den Beitrag dann offline nehmen – aber so funktioniert das Web nicht, auch wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender im Internet genau diesen Murks betreiben. Und schließlich die Sache mit dem Präzedenzfall des “im Internet Vorlesens”. Auch wenn die Podcast-Rechte vorlagen, galt mein Audio-Beitrag offenbar zusätzlich noch als öffentlicher Vortrag, quasi als Veranstaltung. Oder nicht? Oder doch?

Gedanken

Vor welchen Problemen die klassischen Verlage stehen, wurde an anderen Stellen bestimmt ausführlicher und fundierter berichtet. Die Verlags-Kernkompetenzen (wie Vorfinanzierung, Selektion und Qualitätssicherung, Vertrieb) haben sie allesamt eingebüßt oder wurden durch das Internet obsolet (Stichwort “Crowdfunding”, “Self-Publishing”, “Amazon”). Auch die Buchproduktion erfolgt heute mehr und mehr komplett über Dienstleister: freie Lektoren, Grafiker/Layouter, externes Korrektorat – wenn überhaupt! Und gedruckt/publiziert wird sowieso nicht selbst, von Logistik und Online-Handel ganz zu schweigen. Das vielgerühmte Verlagsmarketing schließlich findet praktisch nicht statt und beschränkt sich in den meisten Fällen auf die Aufnahme in den eigenen Katalog. Das kann ich aus meiner Erfahrung als Sachbuchautor bestätigen.

Im Wesentlichen ist ein Verlag heute also (nur) noch ein Rechte-Verwalter. Das Urheberrecht können sie nicht inne haben, auch wenn die entsprechende Debatte erstaunlicherweise so benannt wurde, denn dieses liegt bei den Autoren. Also bleiben ihnen die Verwertungsrechte, die sie oft genug per “Total Buy-out”-Vertrag von den Urhebern erwerben; in geschätzten 90 Prozent der Fälle übrigens für einen Appel und ein Ei. Diese abgekauften Verwertungsrechte sind quasi der einzige Trumpf, den sie noch in Händen halten. Ihre letzte verbliebene Aufgabe ist offenbar, irgendetwas irgendwie einzuschränken. Eine, wie ich finde, leider sehr sinnlose Aufgabe. Dazu zähle ich auch die vielen per E-Mail oder Telefon geführten Dialoge, die ich mir und meinen Gesprächspartner(innen) gerne geschenkt hätte.

Zur Erinnerung: Es geht hier um die nicht-kommerzielle Nutzung! Dabei frage ich mich: Wäre es besser gewesen, einfach loszulegen und nicht zu fragen? Manche Verlage hätten das wahrscheinlich stillschweigend geduldet. Die meisten hätten es wohl nie mitbekommen. Vermutlich hätte ich aber gelegentlich eine Abmahnung (bzw. eine strafbewehrte Unterlassungserklärung) kassiert. Das wäre wenigstens ein Geschäftsmodell für die Branche, wenn auch kein gutes.

Fazit

In einigen Fällen kam ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr hinaus. Gäbe es doch nur mehr Verlage wie Herder! Von den anderen wurden teils Messlatten angelegt, die der digitalen Realität einfach nicht gerecht werden. Viele der Beschränkungen sind deshalb wenig nachvollziehbar, wirken auf mich willkürlich. Dabei nehme ich den Verlagen doch nichts weg, sondern im Gegenteil schenke ihnen etwas – und sei es nur mehr Aufmerksamkeit für ihre Bücher. Denn Aufmerksamkeit ist die neue Währung – im Internet und überall sonst. Ihre Autoren wissen das schon. Irgendwelche bizarren Beschränkungen sind hingegen nichts wert, bringen niemandem etwas: weder Geld noch Aufmerksamkeit für irgendwen!

In Zukunft möchte ich mich nicht mehr auf diese Willkür verlassen müssen. Stattdessen werde ich möglichst viele eigene Inhalte im Internet und für alle produzieren, und dabei bestehende Verlagsprodukte sicherheitshalber weitestgehend ignorieren. Interessant, dass ausgerechnet die klassischen Buchverlage mich dazu verleitet haben …

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